Ehemaliger Verfassungsschutzpräsident zeichnet das Bild einer dysfunktionalen Sicherheitsbehörde

Bild: Angelika Aschenbach

Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zum Mord an Dr. Walter Lübcke (UNA 20/1) hat heute Dr. Alexander Eisvogel vernommen, der von November 2006 bis Mai 2010 als Präsident das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) leitete. Eisvogel hatte Stephan Ernst, der im Sommer 2019 Dr. Walter Lübcke ermordete, bereits im Jahr 2009 als „brandgefährlich“ eingestuft und diese Einschätzung in der Akte vermerkt.

Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, sagte nach der Vernehmung des ehemaligen LfV-Präsidenten:

„Herr Dr. Eisvogel hat heute vor dem Ausschuss einen Verriss seiner ehemaligen Behörde abgeliefert, der seinesgleichen sucht. Nach eigenen Angaben war er in seiner Amtszeit als Präsident des LfV voll und ganz mit der Mangelverwaltung beschäftigt. Nach Auffassung von Herrn Dr. Eisvogel entsprachen damals weder die Personalführung noch die inhaltliche Ausrichtung des Landesamtes den Ansprüchen, die an eine funktionierende Verfassungsschutzbehörde zu stellen waren und sind.

Dass es dem LfV Hessen offenbar jahrelang an essentiellen Kernkompetenzen mangelte und dass das Amt kaum in der Lage war, seinem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden, ist auch in der Rückschau noch erschreckend. Denn bereits zur Jahrtausendwende und in den Jahren danach waren die extremistischen Bedrohungen zahlreich und vielfältig. Die Fehleinschätzung, wonach der als gewalttätig bekannte Rechtsextremist Stephan Ernst ‚abgekühlt‘ sei und keine Gefahr mehr darstelle, fügt sich in das Bild einer dysfunktionalen Behörde, das Herr Dr. Eisvogel heute vor dem Untersuchungsausschuss gezeichnet hat.

Die Verantwortung für dieses Versagen liegt vor allem bei Volker Bouffier, der es weder als langjähriger Innenminister noch anschließend als Ministerpräsident vermocht hat, die hessischen Sicherheitsbehörden für die sich stellenden Herausforderungen zu wappnen. Kritische Fragen werden sich allerdings auch an Bouffiers Nachfolger als Innenminister, Boris Rhein und Peter Beuth, richten, die beide noch vor dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen müssen.

Die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses ist aus meiner Sicht noch lange nicht zu Ende.“